Neues Grundverkehrsgesetz | SPÖ fordert sofortigen Spekulationsstopp und umfassende Verbesserung des Gesetzesentwurfes
Während die eingelangten Stellungnahmen der Fachleute ein düsteres Bild zeichnen, wird Investoren immer noch keine klare Absage erteilt
Nach Bekanntwerden des Vollzugsdesasters zum Grundverkehr zu Jahresbeginn, ließ der zuständige ÖVP-Landesrat Josef Schwaiger rasch wissen, dass ein neues Gesetz Abhilfe schaffen würde. In zahlreichen Interviews erklärte Schwaiger, dass aus dem Grundverkehrsgesetz (GVG) von 2001 nicht hervorginge, was bestimmte Begriffe bedeuten würden. So seien etwa die essentiellen Ausdrücke „Grünland“, „Großgrundbesitz“ und „Landwirtschaftlicher Betrieb“ unklar (siehe „Salzburg-Heute-Interview“ von Schwaiger vom 08. Februar 2022).
Der 97 Seiten starke Bericht des Landesrechnungshofes kritisiert aber nicht das geltende Gesetz, sondern dessen Vollzugspraxis: insbesondere im Pinzgau sei den Bestimmungen des GVG 2001 systematisch nicht entsprochen worden. In der Kurzfassung ist zu lesen: „Der Landesrechnungshof (LRH) stellte im Rahmen der Prüfung der Grundverkehrskommissionen (GVK) Pinzgau für die Jahre 2013 bis 2020 zusammenfassend fest, dass diese in ihrem Verwaltungshandeln das Gebot der Rechtsstaatlichkeit gemäß Art 18 Abs 1 B-VG weitgehend missachteten (siehe Seite 70 f).“
Strategische Investoren sind in ganz Salzburg aktiv!
„Inzwischen sind aber auch dutzende weitere Fälle durch SPÖ-Landtagsanfragen aufgetaucht (in Werfen, Werfenweng, Mauterndorf, St. Gilgen, Neumarkt, ...), bei denen die Paragrafen des GVG 2001 auch in anderen Bezirken nicht angewendet wurden bzw. nach wie vor nicht werden und somit strategische Investoren große Mengen an Grünland zur Hortung oder Vergoldung erwerben konnten bzw. können. Die Liegenschaften werden oder wurden in vielen Fällen umgehend umgewidmet, bebaut und an fremde Anleger verkauft. Gerade jüngst tauchten mindestens fünf Grünlandkäufe einer Mittersiller Touristikerin auf, für die fragwürdig ist, wie die dafür nötige Landwirteeigenschaft belegt wurde“, weiß SPÖ-Agrarsprecherin Karin Dollinger.
„Alles in allem zeichnet sich das Bild der Großzügigkeit hinsichtlich Rechtgeschäften von Nicht- und Scheinlandwirten, sehr oft auch Großgrundbesitzern, im Vergleich zur oftmaligen Verhinderung von Erwerben landwirtschaftlicher Flächen durch echte Bauern. Dass sich das aber nicht verbessern werde, sondern sogar im Gegenteil noch verschlimmern könnte, brachte der Entwurf des neuen Grundverkehrsgesetzes zutage, zu dem bis 20. Juni 2022 Stellungnahmen abgegeben werden konnten“, führt Dollinger aus.
Mangelhafte Regelungen im Gesetzesvorschlag
Es finden sich zahlreiche fragwürdige oder mangelhafte Regelungen im neuen Entwurf des GVG 2023, von denen die folgenden fünf besonders eklatant sind:
Erstens soll sich offensichtlich die Zielgruppe ändern, da abweichend von den bisher fokussierten kleinen und mittleren Betrieben nur mehr auf mittlere Betriebe abgestellt werden soll. Die bisherige Oberzielbestimmung in § 4 Abs. 1 GVG steht auf Seiten der „echten“ aktiven Landwirte:
„(1) Die .… erforderliche Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse der Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, und zwar auch in der Form wirtschaftlich gesunder, mittlerer oder kleiner land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe, nicht widerspricht.“
Auf der Homepage des Landes zur Landwirtschaft findet sich etwa: „Die Kulturlandschaft im Bundesland Salzburg ist traditionell von der Bewirtschaftung durch bäuerliche Familienbetriebe charakterisiert. Im europäischen Vergleich ist die Salzburger Landwirtschaft, bedingt durch die naturräumlichen Gegebenheiten und historischen Entwicklungen relativ kleinstrukturiert.“
„Unbestimmt und gleichheitswidrig“
„Es ist nicht einzusehen, warum plötzlich kleine Landwirtschaften nicht mehr unter die Zielbestimmung des GVG fallen sollen, stellen sie doch gut ein Drittel aller Betriebe im Land Salzburg! Das ist für die vielen fleißigen, kleinen Nebenerwerbslandwirt:innen ein Schlag ins Gesicht! Wir brauchen die kleinen Landwirtschaften auch im Hinblick auf Ernährungssouveränität und zur Abwehr von Naturgefahren.“, ist Karin Dollinger verwundert. „Deshalb fordert auch die AK in ihrer Stellungnahme dringend die Wiederaufnahme der ‚kleinen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe‘ in der Zielbestimmung des GVG 2023. Das Bundeskanzleramt geht in seiner Stellungnahme noch weiter und denkt dabei an unbestimmt und gleichheitswidrig!“
Zweitens ordnet der geplante § 4 Z 4 GVG 2023 wie schon § 4 Abs. 5 GVG 2001 der landwirtschaftlichen Besitzfestigungsgenossenschaft regGenmbH eine Schlüsselstellung zu. Sie kann wie ein Landwirt, auch zum ortsüblichen Preis, von der Einbietemöglichkeit Gebrauch machen, um die Grundstücke der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung durch Landwirte zu erhalten oder dieser wieder zuzuführen.
Viel zu passive Besitzfestigungsgenossenschaft
„Die Besitzfestigungsgenossenschaft hätte schon bisher als ‚Sicherheitsschleuse‘ im Kampf gegen die in- und ausländischen strategischen Investoren und Spekulanten bzw. Scheinlandwirte auftreten können, wenn sie konsequent bei Rechtsgeschäften mit Nicht-Landwirten eingeboten hätte! Siehe auch AK-Stellungnahme. Aber in den letzten 20 Jahren wurden kaum Einbietungen gemacht. Daher muss die Besitzfestigungsgenossenschaft nun endlich gesetzlich dazu gebracht werden, ihre Passivität aufzugeben und so zu agieren, wie das Pendant des Tiroler Landeskulturfonds. Dieser hat es sich zum Ziel gesetzt, Pflöcke einzuschlagen und gegen Spekulanten in jedem Fall einzubieten. Letztere sollen schon den bloßen Versuch unterlassen, land- und forstwirtschaftliche Flächen zu erwerben, weil in jedem Fall der Tiroler Landeskulturfonds oder der Tiroler Bodenfonds (ist das Pendant zur Salzburger Land-Invest) einbieten werden“, erklärt SPÖ-Abgeordneten Karin Dollinger.
Drittens werden Bodenrichtpreise für land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke in § 6 GVG 2023 vorgesehen. Leider entsprechen diese aber nicht der Realität, wie den tatsächlichen Grünlandpreisen auf der Basis der Grundbuchsdaten pro Gemeinde auf der Website www.bodenpreise.at entnommen werden kann. Insgesamt werden die Bodenrichtpreise aufgrund ihrer preistreibenden Wirkung strikt abgelehnt, abgesehen davon, dass sich zur Berechnung der Preisbänder pro Gemeinde verfassungsrechtliche Bedenken aufgrund der Hinzurechnung eines am Baulandpreis orientierten Lagefaktors zum Grünlandpreis ergeben, wie die AK in ihrer Stellungnahme ausführt. Durch diesen geplanten Zuschlag zum Ertragswert je Bonitätsklasse zwischen 50 und 100 Prozent wird in Gemeinden mit teurem Bauland auch noch das Grünland unnötig teuer und damit erst Recht nur für Investoren attraktiv.
Viertens ist die im GVG 2023 nun erstmals vorgesehene Grenze für Großgrundbesitz viel zu hoch angesetzt und soll sich, wie die einschlägige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes an der durchschnittlichen Betriebsgröße im Bundesland bzw. im betreffenden Bezirk orientieren. Die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer, die darauf abzielt, die Großgrundbesitzer möglichst wenig einzuschränken, erscheint in diesem gesamten Problemkontext und im Hinblick auf die Interessensvertretung all ihrer Mitglieder als Chuzpe – viel eher möchte man meinen, dass die LWK den kleinen Landwirten zur Seite steht, dies fehlt aber in deren Stellungnahme.
Schließlich, fünftens, bereitet die künftig geplante Zusammensetzung der Grundverkehrskommission, bei der es zur Eliminierung der Sozialpartner Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer und somit zur ausschließlichen Konzentration auf Bedienstete der Kammer für Land- und Forstwirtschaft kommen soll, große Bedenken. Die so wichtige Materie der Landesentwicklung, den Grundverkehr, in derart einseitige Hände zu legen, wäre ein gewaltiger unsachlicher und unverhältnismäßiger demokratiepolitischer Rückschritt. Auch die Degradierung der Gemeinden auf reine Beratungsfunktion ist unverständlich. Im Gegenteil sollten Sozialpartner und Gemeinden eine Aufwertung analog zum Vorarlberger Grundverkehrsmodell erfahren.
„Wir appellieren an Agrarlandesrat Schwaiger, die geschilderten Punkte noch entsprechend zu berücksichtigen. Wenn die Ankündigung des neuen GVG 2023 für den Beschluss im Landtag für die vergangene Juli-Sitzung schon nicht realisiert werden konnte, so soll dies der nötigen Qualitätsverbesserung dienen. Noch viel dringender wäre es aber, im alltäglichen Vollzug die ohnedies strengen Regelungen des GVG 2001 endlich durchgängig anzuwenden, also auch bei Investoren. Schon jetzt besteht eine zehnjährige Selbstbewirtschaftungspflicht und eine Residenzpflicht (§ 7 Abs. 2), die aber offensichtlich nirgends kontrolliert wird“, erklärt Karin Dollinger.