Kinderbetreuungsgesetz-Neu | Kaum Verbesserung, Nachverhandlung nötig

Auch die lange Vorbereitungszeit von fünf Jahren wurde von der ÖVP-Landesregierung nicht genutzt, um echte gesetzliche Verbesserungen bei der Kinderbetreuung zu erreichen. Die SPÖ fordert Nachbesserungen!
        
Fünf Jahre lang nahm sich die ÖVP-geführte Salzburger Landesregierung Zeit, um ein neues, den aktuellen Bedürfnissen angepasstes und zukunftsfittes Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetz auszuarbeiten. Sogar ein Unterausschuss des Landtags mit Vertreterinnen und Vertretern aller Landtagsfraktionen hat gearbeitet. Nach einer so langen Vorbereitungszeit waren die Neugier und die Ungeduld auf das neue Gesetz groß. Genauso groß sind nun die Enttäuschung und die Unzufriedenheit mit dem „großen Wurf“ der ÖVP-Landesregierung, der keiner ist.

Steidl | Beschämend wenig ambitioniert

„Die Hoffnung von Eltern, Kindergartenpädagoginnen und –pädagogen, den Trägern von Kinderbetreuungseinrichtungen und von uns, der SPÖ, in Salzburg schon bald die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die beste Kinderbetreuung vorzufinden, war ab 2013 groß. Speziell, weil von der ÖVP-Landesregierung ein großer zeitlicher und struktureller Aufwand betrieben wurde. Denken wir nur an die vielen Stunden, an denen sich alleine der Unterausschuss des Landtags mit der Vorbereitung des neuen Gesetzes beschäftigt hat. Gemessen am Aufwand ist das nun vorgestellte Ergebnis beschämend wenig ambitioniert“, übt SPÖ-Chef Walter Steidl Kritik. „Es gibt zwar keine Verschlechterung, aber auch keine wesentliche Verbesserung bei den gesetzlichen Grundlagen für die Kinderbetreuung in Salzburg. Das veranschaulicht den Stellenwert der Kinderbildung und -betreuung dieser Regierung.“

Steidl | Zu teuer, zu unflexibel, zu wenig

Oppositionschef Walter Steidl ärgert vor allem, dass es die ÖVP-Landesregierung und die zuständigen Landesrätinnen der Grünen (2013-2018 Martina Berthold) und der Neos (Andrea Klambauer) in fünf Jahren nicht zusammenbrachten, echte, spürbare Verbesserungen zu erarbeiten. „Die Kinderbetreuung ist für die Eltern nach wie vor zu teuer, der Betreuungsschlüssel durch Pädagoginnen ist zu gering und die Flexibilität für Eltern – zum Beispiel an den Tagesrandzeiten beim Abholen der Kinder – wird sogar noch reduziert. Zusätzlich fehlt die Wertschätzung gegenüber den Pädagoginnen und Pädagogen, beispielsweise durch ein Ausgleichen von Gehaltsunterschieden und Urlaubsansprüchen.
Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein gutes Gesetz nicht erstellt werden soll!“



Dollinger | Die Kosten sind zu hoch

Viel mehr, vom lange angekündigten neuen Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetz, erwartet hat sich auch SPÖ-Familiensprecherin Karin Dollinger: „Beim Halbieren der Landeszuschüsse für die Eltern waren ÖVP und Grüne 2013 schnell. Es wurde daraufhin zwar ein Kinderbetreuungsfonds eingeführt, dieser wird wegen der niedrigen Einkommensgrenzen aber kaum genutzt. Die Kosten für die Eltern bleiben zu hoch. Als dreist empfinde ich die gewählte Vorgangsweise vom nach wie vor gültigen höchstzulässigen Elternbeitrag von 440 Euro pro Monat den (halbierten) Landeszuschuss von 25 Euro direkt abzuziehen und somit eine Senkung der Elternbeiträge vorzugaukeln. So etwas ist unredlich“.

Dollinger | Zweites kostenloses Kindergartenjahr nicht in Sicht

Verstreichen lassen hat die ÖVP-Landesregierung auch die Chance, ein zweites kostenloses Kindergartenjahr umzusetzen. Das letzte Kindergartenjahr ist schon derzeit verpflichtend und kostenfrei. „Ein zweites kostenfreies Kindergartenjahr wäre eine gute Möglichkeit, den Eltern finanziell unter die Arme zu greifen und die Bedeutung der ersten Bildungseinrichtung hervorzuheben“, erklärt Dollinger.

Dollinger | Keine Verbesserung der Qualität

"Von einem neuen Gesetz mit derartig langer Vorbereitungsphase hätte sich die SPÖ auch eine markante Steigerung der Qualität der Kinderbetreuung erwartet. Doch auch hier enttäuscht die ÖVP-Landesregierung, weil sie den Aufwand für die Steigerung alleinig den Pädagoginnen und Pädagogen umhängen will und dafür keinerlei Zusatzzeit einräumt“, weiß Dollinger.

„Bei den Öffnungszeiten wird nach wie vor nur ein Mindestmaß von 20 Wochenstunden vorgegeben. Für berufstätige Eltern oder Alleinerziehende ist das zu kurz. Nicht einmal ein Halbtagsjob lässt sich mit einer 20-Stunden-Öffnung verbinden, von einer Vereinbarkeit mit der von den Eltern nun geforderten 60-Stunden-Woche kann keine Rede sein. Um hier besser zu werden, müssen mehr Finanzmittel in die Hand genommen werden. Das gleiche gilt auch für die Verkleinerung der Gruppengrößen, der Verbesserung der Betreuungsschlüssel und den Rahmenbedingungen für die Pädagoginnen und Pädagogen, um zum Beispiel Elterngespräche oder eine Entwicklungsdokumentation zu führen. Den Eltern wird weiterhin nicht ermöglicht, den Ort der Kinderbetreuung bedarfsgerecht, beispielsweise in der Nähe des Arbeitsplatzes, selbst zu wählen. Sie bleiben an die Wohnsitzgemeinde gebunden.“

Zusammenhang zwischen Kinderbetreuung und Erwerbsquote

Sehr kritisch sieht die SPÖ auch die bestehende Möglichkeit für Gemeinden, aus Kostengründen, aber trotz bestehender Bedarfe von Eltern, nicht ausreichend Betreuungsplätze anbieten zu müssen. „Es gibt gleich mehrere Berechnungen, die den Zusammenhang zwischen der Qualität der angebotenen Kinderbetreuung und der Erwerbs- und Teilzeitquote von Frauen darstellen. Je besser das Angebot der Kinderbetreuung, desto höher die Chance für Frauen, wieder im Beruf Fuß zu fassen, wenn gewollt, auch wieder ganztags zu arbeiten und somit selbstständig zu bleiben und für die eigene Pension bzw. Zukunft vorbereitet zu sein“, führt Walter Steidl aus. „Frauenarmut ist Realität. Die Frauenpensionen sind im Schnitt um 43 Prozent niedriger als jene der Männer.“

Der ÖVP müsse endlich bewusstwerden, dass Krabbelgruppen, Kindergärten, usw. die ersten Bildungseinrichtungen sind, betont Steidl weiter. Dort werden die Kinder in ihrer Sprachentwicklung gefördert sowie in der sozialen Entwicklung oder beim Lernen unterstützt. In diesen ersten Bildungseinrichtungen würde der Grundstein für die weitere Bildungslaufbahn gelegt und somit solle die ÖVP-Landesregierung auch mehr Wert auf ein gutes und zeitgemäßes Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz legen, sagt Steidl.

Kindergartenpädagogin Mitterwallner: „Für einen höheren Qualitätsstandard brauchen wir mehr Vorbereitungszeit!“

Die Berufsgruppe der Kindergartenpädagog_innen kritisiert am neuen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz des Landes Salzburg vor allem die fehlenden Maßnahmen, um pädagogischen Fachkräften die Umsetzung der vorgegebenen Qualitätsstandards zu ermöglichen.

„Im vorliegenden Gesetz wurde endlich auch für Krabbelgruppen und alterserweiterte Gruppen eine fixe Zeitvorgabe für die gruppenarbeitsfreie Dienstzeit festgelegt. Dieser notwendige Schritt reicht allerdings nicht aus. Die Aufgaben haben sich in den letzten Jahren vermehrt und die Anforderungen sind gestiegen. Die gruppenarbeitsfreie Dienstzeit jedoch ist in Kindergartengruppen mit 25 Kindern seit mehr als 30 Jahren gleichgeblieben“, kritisiert die Obfrau der Berufsgruppe der Pädagog_innen in Kinderbildungseinrichtungen in Salzburg, Monika Mitterwallner. „Die gesetzlichen Vorgaben zur Bildungs- und Entwicklungsdokumentation, der Entwicklungs- bzw. Transitionsgespräche, sowie die Durchführung der Sprachstandsfeststellung bei allen Kindern ab dem 4. Lebensjahr können ohne Steigerung der Vorbereitungszeit in Kindergartengruppen mit 25 Kindern nicht umgesetzt werden. Wird die gruppenarbeitsfreie Dienstzeit nicht erhöht, können wir die geforderten Aufgaben nicht erfüllen!“

Sonderkindergartenpädagoginnen – Was geschieht mit Kindern unter 3 Jahren?

„Das Land Salzburg hat auch immer noch kein ordentliches Anstellungssystem für Sonderkindergartenpädagog_innen umgesetzt. Diese erhalten von den Rechtsträgern nur Jahresverträge und müssen jedes Jahr um ihren Arbeitsplatz bangen. Darüber hinaus entstehen dadurch Kettenverträge, die arbeitsrechtlich unzulässig sind“, weiß Mitterwallner. „Der große Mangel an Sonderkindergartenpädagoginnen und –pädagogen ist vor allem darauf zurückzuführen. Viele Ausgebildete flüchten nach einigen Jahren in andere Dienstposten und arbeiten als gruppenführendes oder assistierendes Fachpersonal.“

Darüber hinaus gibt es für unter 3-Jährige mit erhöhtem Förderbedarf keine Möglichkeit, institutionell betreut zu werden.

„Eltern von beeinträchtigten Kindern haben ohnedies eine hohe Belastung zu tragen, sowohl psychisch, als auch finanziell. Doch das Betreuungssystem greift ihnen erst ab dem 3. Lebensjahr unter die Arme. Eine frühere Berufstätigkeit ist somit nicht möglich und die hohen finanziellen Belastungen müssen von nur einem Elternteil getragen werden.“

Landesrätin Klambauer beruft sich auf verfälschte statistische Zahlen

„Bei der Veröffentlichung der Kinderbetreuungsstatistik 2018/2019 des Landes Salzburg, wurde ein Betreuungsschlüssel von einer Fachperson zu 8,4 Kindern errechnet. Es ist schockierend, wie praxisfern diese Ergebnisse sind“, wundert sich Mitterwallner.

Bei der Durchsicht des Berechnungsmodells sind der Berufsgruppe der Pädagog_innen in Kinderbildungseinrichtungen Abweichungen aufgefallen: „Die Statistiker nehmen an, dass jede Person, die als Fachpersonal angestellt ist, für die Betreuung der Kinder zur Verfügung steht. Das betrifft Leitende, die ausschließlich für Leitungstätigkeiten eingeteilt sind ebenso, wie Helferinnen die auch Reinigungs- oder Küchenarbeiten übernehmen. Weiters macht es die Stoßzeit am Vormittag nahezu unmöglich, die tatsächlich reale Ist-Situation in Zahlen auszudrücken."

„In der Praxis kommen im Kindergarten zwei Betreuungspersonen auf 25 Kindergartenkinder. Es kann in Zeiten von Personalengpässen nicht garantiert werden, dass zwei ausgebildete Fachkräfte bei den Kindern sind“, erläutert Obfrau Mitterwallner die reale Situation. „Hier müssen die Statistik und Landesrätin Klambauer abermals prüfen, denn Klambauer meint: ‚Es ist mir ein Anliegen, dass wir bei den Fakten bleiben, denn bei diesem Thema wird die Situation oft schlechter dargestellt, als sie in Wirklichkeit ist.‘ Klar ist, dass die von Landesrätin Klambauer präsentierten, unserer Ansicht nach fehlerhaften ‚Fakten‘ der Wirklichkeit nicht entsprechen.“

Forderungen der Pädagoginnen und Pädagogen

  • Senkung des Betreuungsschlüssels
  • Springerinnen und Springer, die den Personalausfall abdecken
  • Fixanstellung für Sonderkindergartenpädagoginnen und –pädagogen ab vier Gruppen
  • Erhöhung der Vorbereitungszeit entkoppelt vom Dienstausmaß
  • Gruppeninterne Besprechungszeiten für das Team
  • Ein Jahreskontingent für Einzel- und Teamsupervision  
  • Vorzug bei Neueinstellungen von höher qualifiziertem Personal




Obinger | Stellenwert der Kinderbetreuung erhöhen

Für Bischofshofens Bürgermeister Hansjörg Obinger ist das neue Kindebetreuungsgesetz dahingehend dürftig, weil dem Stadtchef ein klares Bekenntnis und ein hoher Stellenwert der Verbesserung der Kinderbetreuung in Salzburg fehlt. „Eine gute Kinderbetreuung mit längeren, den Bedürfnissen der Eltern angepassten, Öffnungszeiten, einer guten Gruppengröße mit gutem Betreuungsschlüssel kostet Geld. Gerade wir Städte und Gemeinden wissen das als wesentliche Zahler genau. Ich erwarte mir von der Landesregierung und von der Bundesregierung, dass sie die Gemeinden dabei entsprechend finanziell unterstützen und die Rahmenbedingungen herstellen. Gute Bildung und Betreuung muss uns das wert sein.“

Obinger | Jedem Kind ein gesundes Mittagessen

Besonders stolz ist Bürgermeister Obinger, dass in Bischofshofen täglich für alle Kinder in Betreuung frisch gekocht wird: „Es freut mich, dass wir in Bischofshofen allen Kindern in Betreuung jeden Tag ein gesundes und frisch gekochtes Essen anbieten. Daher unterstütze ich die Forderung der Landes-SPÖ von Walter Steidl, in Salzburg allen Kindern ein täglich frisch gekochtes Essen anzubieten, voll. Das, was in vielen Unternehmen selbstverständlich ist, muss auch für unsere Kinder selbstverständlich sein: Ein gesundes Mittagessen!“

Fazit | Gesetz überarbeiten

Da das neue Kinderbetreuungsgesetz noch nicht in Kraft ist, soll die ÖVP-Landesregierung die Chance nützen, um Schwächen, Fehler und Mangelhaftes im Gesetz noch einmal zu überarbeiten. SPÖ-Chef Steidl: „Wir fordern die Landesregierung auf, die Kritik aus den zahlreichen Stellungnahmen zum vorgelegten Gesetz und von der SPÖ-Opposition ernst zu nehmen und ihr Gesetz noch einmal zu überarbeiten. Ein paar Monate mehr in der Vorbereitungsphase des Gesetzes macht bei der bisherigen Dauer von fünf Jahren auch nichts mehr aus.“

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