SPÖ-Standpunkt zur Gemeindeordnung NEU
Mösl & Obinger | Macht braucht Kontrolle Der vorliegende Entwurf zur neuen Salzburger Gemeindeordnung sieht deutlich mehr Entscheidungsmacht für Bürgermeister_innen vor als bisher. Für die Salzburger SPÖ sind diese Pläne nur im Gegenzug für mehr Informations- und Kontrollrechte der Gemeindevertretungen denkbar.
„Manche Pläne der Landesregierung zur neuen Gemeindeordnung gehen in die richtige Richtung, einige Dinge sind aus unserer Sicht aber leider noch unausgegoren, um nicht zu sagen problematisch. Überall da, wo Kompetenzen der Ortschefs ausgeweitet werden, müssen im selben Ausmaß auch die Informations- und Kontrollrechte der Gemeindevertretungen ausgedehnt werden.“ Mit diesem Befund eröffnete der gf. Vorsitzende des Sozialdemokratischen Gemeindevertreterinnenverbandes (GVV Salzburg) Bgm. Hansjörg Obinger die Pressekonferenz, in der er gemeinsam mit der SPÖ-Gemeindesprecherin LAbg. Stefanie Mösl die sozialdemokratischen Standpunkte zur geplanten neuen Gemeindeordnung für das Bundesland Salzburg präsentierte.
„Es geht uns nicht darum, das Gesetz aus Prinzip zu kritisieren, sondern um eine effiziente Gemeindeordnung, die nicht nur die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sondern die Kommunalpolitik als Ganzes stärkt“, stellte Mösl klar, bevor die einzelnen Punkte und Vorschläge erläutert wurden, die eine SPÖ-Arbeitsgruppe in den letzten Wochen und Monaten ausgearbeitet hat.
Kritikpunkt 1: Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht zwar mehr Mitspracherechte, dafür aber weniger demokratische Mitbestimmung vor.
Zwar gebe es dank der geplanten Möglichkeit zu Ortsumfragen und Bürger_innenräten mehr Möglichkeiten zum Mitreden, gleichzeitig sehe der aktuelle Entwurf jedoch inakzeptable Einschränkungen demokratischer Mitentscheidungsmöglichkeiten vor, kritisierte Mösl und nannte dafür ein konkretes Beispiel: „Was helfen Bürgerräte und unverbindliche Ortsumfragen, wenn Bürgerinnen und Bürger nicht einmal mehr beim Namen einer Gemeinde mitentscheiden dürfen. Was harmlos klingt, betrifft die Identität eines ganzen Ortes und könnte im schlimmsten Fall in Namen ausarten, wie wir sie aus dem Vereinswesen im Fußball kennen.“ Im Unterschied zu den Plänen der Landesregierung sollen laut SPÖ bei Namensänderungen einer Gemeinde weiterhin verpflichtend Bürgerabstimmungen durchgeführt werden. Mehr noch: Laut SPÖ sollen künftig auch im Falle von Gemeindezusammenlegungen oder-teilungen verpflichtende Bürgerabstimmungen abgehalten werden.
Außerdem sieht die SPÖ die Möglichkeit der Bürger_innen, sich gegen Entscheidungen der Gemeinde zu wehren, auf inakzeptable Weise eingeschränkt. Die Idee der Landesregierung, wonach Beschlüsse wegen Befangenheit und Nichtigkeitsgründen künftig nur mehr ein halbes Jahr statt bisher zehn Jahre beeinsprucht werden können sollen, lehnt man seitens der Sozialdemokratie entschieden ab. „Die derzeitige Regelung einer Einspruchsfrist von zehn Jahren ist wahrscheinlich tatsächlich zu lang, die geplanten sechs Monate aber definitiv zu kurz. Unser Vorschlag wäre, dass gegen Beschlüsse mindestens sechs Monate lang und jedenfalls während der gesamten Funktionsperiode der Gemeindevertretung Einspruch erhoben werden kann, also maximal fünf Jahre“, so der pragmatische Vorschlag Mösl.
Im Zusammenhang mit den geplanten Ortsumfragen und Bürger_innenräten sieht die SPÖ ebenfalls noch Präzisierungsbedarf. „Leider ist der Gesetzesentwurf hinsichtlich Anonymisierung der Daten noch unpräzise formuliert. Aus unserer Sich muss klar legistisch festgehalten und garantiert sein, dass die Gemeinde nach Umfragen keine Rückschlüsse auf die Meinung einer einzelnen Person machen kann“, so Mösl weiter. Was die Zusammensetzung von Bürgerinnenräten anbelangt, verlangt Obinger ein klar definiertes Zufallsverfahren: „Die Auswahl der Bürgerinnen und Bürger muss wirklich zufällig erfolgen. Es darf daher auch nicht möglich sein, dass ein Zufallsverfahren so oft durchgeführt wird, bis sich keine unliebsame Person mehr darunter befindet.“
Ein besonderer Dorn im Auge ist Stefanie Mösl der Plan der Landesregierung, wonach die Beschlussfähigkeit der Gemeindevertretungen künftig nicht mehr bei einer Anwesenheit von zwei Dritteln, sondern bereits ab einem Anwesenheitsquorum von 50 Prozent der gewählten Gemeindevertreter_innen gegeben sein soll. „Ein gültiger Beschluss der Gemeindevertretung muss unserer Meinung nach auch künftig die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln. Auf Gemeindeebene kann nur mit einer Zweidrittelmehrheit sichergestellt werden, dass eine Mehrheit entsprechend der Wahlerergebnisse über einen Punkt entscheidet“, so ihre Begründung. Diesbezüglich gehe es auch darum, die Möglichkeit, Sitzungen ungünstig für einzelne Fraktionen zu legen und auf diese Weise Mehrheiten zu erzielen, erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Stattdessen fordert die Salzburger SPÖ mehr Flexibilität, wenn es etwa um die Teilnahme in Ausschüssen gehen. „Wir sprechen uns klar dafür aus, dass Ersatzgewählte ihre Fraktionskolleg_innen auch in den Ausschüssen vertreten können. Wenn ein Mitglied der Gemeindevorstehung verhindert ist, soll dieses ebenfalls von einer Person derselben Fraktion zumindest in beratender Funktion ersetzt werden können. Beides war auch bisher nicht der Fall. Die Praxis zeigt uns aber, dass das absolut Sinn machen würde“, präzisiert Obinger. Kein Verständnis hat er dafür, warum die Landesregierung offenbar abschaffen möchte, dass Bürgermeister_innen im Verhinderungsfall auch bei Sitzungen von Vizebürgermeister_innen zu vertreten sind: „Ohne nachvollziehbaren Grund wurde diese Regelung von der Landesregierung im aktuellen Entwurf gestrichen.“
Kritikpunkt 2: Transparenzdefizite und mangelnde Kontrollmöglichkeiten
„Als Bürgermeister freut es mich zwar, wenn ich nicht wegen jeder Kleinigkeit einen Beschluss einholen muss. Als Demokrat empfinde ich es jedoch als hochproblematisch, wenn ich künftig die Gemeindevertretung nicht einmal über Entscheidungen informieren muss, die laut alter Gemeindeordnung noch in ihren Kompetenzbereich gefallen sind“, umriss Hansjörg Obinger den zweiten fundamentalen Kritikpunkt am Gesetzesentwurf der Landesregierung. Wenngleich die Ausdehnung der bürgermeisterlichen Kompetenzen in vielen Bereichen prinzipiell zu begrüßen sei, etwa im Zusammenhang mit einigen Personalfragen, soll es laut SPÖ keinen Freifahrtschein für Ortschefs geben.
„Wir sprechen uns dafür aus, dass künftig alle Personalstellen mit einer Stellenbeschreibung und einem Anforderungsprofil versehen werden, sowie öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Hierfür soll die Gemeindevorstehung zuständig sein. Wir stimmen aber der Landesregierung zu, wenn es darum geht, Kompetenzen wie die Zuständigkeit für Beförderungen und Zulagen auf den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin zu übertragen. Im Gegenzug soll auch hier im Gesetz eine Informationspflicht gegenüber der Gemeindevorstehung verankert werden“, führte Obinger den Vorschlag der Salzburger Sozialdemokratie aus.
SPÖ-Forderungen zu den Personalkompetenzen im Detail:
- Die Salzburger SPÖ stimmt den Plänen, wonach Personalkompetenzen vollkommen auf die Bürgermeister_innen delegiert werden können, nur bedingt zu. Aus demokratiepolitischen Gründen sollen Gemeindevorstehungen verpflichtet sein, alle Personalstellen mit Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofilen zu versehen bzw. auch für die Abänderung derselben verantwortlich sein. Abgesehen von internen Nachbesetzungen soll laut SPÖ die öffentliche Stellenausschreibung (auf Amtstafel und Website) verpflichtend sein. Unter diesen Prämissen sollen Bürgermeister_innen wie von der Landesregierung geplant bei Beförderungen, Zulagen, Nebengebühren, Änderungen des Beschäftigungsausmaßes, der Bestellung von (stv.) Führungspositionen <2 Jahren und der Duldung von Nebenbeschäftigungen autonom entscheiden dürfen. Im Sinne der Transparenz fordert die SPÖ im Gegenzug allerdings, im Gesetz eine Informationspflicht an die Gemeindevorstehung zu verankern (§§ 43, 44 NEU).
- Die SPÖ lehnt es im Gegensatz zur Landesregierung ab, folgende personalpolitische Agenden auf die Bürgermeister_innen zu übertragen: a) Bei Gehaltsvorschüssen und Geldaushilfen soll laut SPÖ allein schon aus Gründen der budgetären Bedeckung die Zuständigkeit grundsätzlich bei der Gemeindevorstehung verbleiben. Lediglich die Kompetenz für vorübergehende Geldaushilfen könnte laut SPÖ an die Bürgermeister _innen übertragen werden. b) Einvernehmliche Auflösungen von Dienstverhältnissen auf Wunsch des Dienstgebers sollen weiterhin durch die Gemeindevorstehung entschieden werden. c) Befristete Einstellungen durch eine_n Bürgermeister_in sollen auch in Zukunft max. 6 Monate erfolgen können, bei Karenzvertretungen wie gehabt für max. 2 Jahre.
„Überall da, wo Kompetenzen von der Gemeindevertretung zu den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern wandern sollen, braucht es umso mehr Kontrollmöglichkeiten und eine umfassende Informationspflicht der Ortschefs. Geplante Änderungen wie einen Genehmigungsautomatismus nach zwei Wochen bei Protokollen oder die Aufhebung einer Dokumentationspflicht der Umsetzung von Beschlüssen seitens des Bürgermeisters sehen wir problematisch“, so Mösl. Darüber hinaus verlangt die SPÖ, dass im Gegensatz zu den Plänen der Landesregierung bei Verpflichtungserklärungen, denen Beschlüsse von Kollegialorganen zugrunde liegen, wie bisher auch künftig die Unterfertigungspflicht durch die Vizebürgermeister_innen bestehen bleiben soll. „Als Bürgermeister bin ich sogar dankbar für das 4-Augenprinzip“, ergänzte Obinger.
Mehr Informationspflicht gegenüber der Gemeindevertretung wünscht sich die SPÖ auch im Zusammenhang mit Entscheidungen, die auf in Gemeindeverbänden und Gemeindegesellschaften getroffen werden. „Hier gab es auch bisher ein Transparenzdefizit. Darum fordern wir auch diesbezüglich, eine Informationspflicht des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin gegenüber der Gemeindevertretung zu verankern“, so Mösl. Konkret fordert die SPÖ eine Informationspflicht gegenüber den Fraktionen, damit diese wenigstens Akteneinsicht nehmen können. Darüber hinaus soll in der Gemeindeordnung festgelegt werden, dass auch bei Gemeindeverbänden und Gemeindegesellschaften die Gemeindevertretung für wesentliche Entscheidungen wie Statutenänderungen, Kapitalerhöhungen, Vermögensverschiebungen und Abänderung der Gesellschaftsaufgaben zuständig ist.
„In all diesen Betrachtungsweisen geht es uns nicht darum, eine vermeintliche Allmacht der Bürgermeister als ‚Ortskaiser‘ zu unterbinden. Vielmehr darf nicht aus den Augen gelassen werden, dass ein Großteil der politischen Arbeit in den Gemeinden auf Ehrenamt basiert und deshalb auf jeden Fall sichergestellt werden muss, dass sich die Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter, wie auch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister immer auf eine sichere Rechtsgrundlage stützen können. Eine verpflichtende Dokumentationspflicht ist wichtig für die rechtliche Absicherung“, so Mösl weiter.
Kritikpunkt 3: Bürgermeister_innen erhalten im aktuellen Entwurf der Landesregierung zum Teil Freibrief zur Willkür
Die Landesregierung plant, Bürgermeister_innen in Zukunft auch mehr Entscheidungskompetenzen bei Abschlüssen von Rechtsgeschäften über Grundstücke und Gebäude einzuräumen. Konkret sieht der aktuelle Entwurf zur neuen Gemeindeordnung vor(§ 44 Abs 1 NEU) vor, dass Bürgermeister_innen im Alleingang gemeindeeigene Grundstücke und Räumlichkeiten unbefristet bis zu 12.000 Euro jährlich vermieten bzw. verpachten können. Die SPÖ lehnt diesen Vorschlag ab und fordert, dass Bürgermeister_innen auch künftig im Alleingang nur solche Belastungen, Verleihungen, Vermietungen und Verpachtungen eingehen dürfen, die befristet oder jährlich kündbar sind.
Ablehnend steht die SPÖ auch dem Plan der Landesregierung gegenüber, wonach der Gemeindevorstehung im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren alle Rechte genommen werden sollen. „Die Zuständigkeit über die Vorgangsweise bei Klagen, Beschwerden und Revisionen soll mit Ausnahme von Besitzstörungsklagen nicht von den Gemeindevorstehungen auf die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister übergehen“, so Obinger, welcher das auch mit der Systematik des Gesetzes argumentiert. Die Gemeindevertretung könne immerhin auch die Gemeindevorstehung dazu ermächtigen, im Hinblick auf gerichtliche Verfahren budgetär zu reagieren.
Ebenfalls einen Freifahrtschein zur Willkür befürchtet die SPÖ, sollten Bürgermeister _innen in Zukunft tatsächlich autonom entscheiden können, wer ein Gemeindewappen verwenden darf. „In dem Fall braucht es jedenfalls objektive Kriterien, die von den Gemeindevertretungen beschlossen werden müssen“, fordert Mösl. Laut SPÖ soll diese Kompetenz den Bürgermeister_innen nur auf der Grundlage eines von der Gemeindevertretung zu erstellenden objektiven Kriterienkatalogs möglich sein. Bürgermeister_innen sollen verpflichtet sein, in den Sitzungen von ihren Entscheidungen zu berichten.
SPÖ fordert eine Mitwirkungspflicht der Polizei bei ortspolizeilichen Verordnungen
Schlussendlich präsentierte die SPÖ im Rahmen der Pressekonferenz einen komplett neuen Vorschlag, der besonders auch dem GVV-Vorsitzenden Obinger ein großes Anliegen ist: „Wir haben derzeit das Problem, dass ortspolizeiliche Verordnungen kaum eine Wirkung zeigen, weil sie de facto nicht durchsetzbar sind. Darum sprechen wir uns klar und deutlich für die Möglichkeit zur Identitätsfeststellung und die Mitwirkungspflicht der Polizei aus.“ Vor allem die Mitwirkungspflicht der Polizei ist für Obinger von großer Bedeutung: „Wir wollen auf keinen Fall Bürgerwachen, dafür aber umso mehr, dass die Polizei auch für die Einhaltung jener Regelungen verantwortlich ist, die auf Gemeindeebene beschlossen werden.“ Dafür bräuchte es freilich nicht nur eine Mehrheit im Landtag, sondern auch die Zustimmung der Bundesregierung. „Wir sind davon überzeugt, dass die Frage, wie ortspolizeiliche Verordnungen exekutierbar sind, von höchster Relevanz sind und somit auch eine breite Debatte verdienen“, so Obinger weiter, für den feststeht, dass die Polizei mit dieser Aufgabe betraut werden müssen.